Ein paar Gedanken zum Thema Schönheitsideale, Körperbewusstsein und was die Fotografie damit zu tun hat.

Kinder dürfen so sein, wie sie sind – auch vor der Kamera

Ich hab gestern an einer Online-Elternbildungs-Veranstaltung von Zwei und Mehr teilgenommen bei der es vor allem um das Körperbewusstsein von Kindern (besonders Mädchen) ging und inwiefern das auch krank machen kann. Immer wieder fielen in der Diskussion Aussagen mit „Im Kindergarten/In der Schule muss/sollte man…“.

Als ich danach weiter darüber nachdachte kam mir folgender Gedanke: um Kinder zu stärken, sollte aus meiner Sicht das ganze Umfeld einbezogen werden. Denn es wurde dabei auch erwähnt, wie vielen unrealistischen Bildern und Schönheitsidealen wir permanent ausgesetzt sind… vor allem durch Werbung. Und Werbung sind wir allen voran im privaten Umfeld ausgesetzt, nicht im Kindergarten oder der Schule. Die strömt auf uns ein durch Postwurfsendungen, Magazine, Zeitungen, Fernsehen, Handy, Laptop,… Es ist ja auch kein Geheimnis mehr, dass große Modemarken bei ihren Werbebildern tief in die Photoshop-Trickkiste greifen (im Sinne der Nachhaltigkeit halte ich von denen ohnehin nicht viel und ich boykottiere diese schon jahrelang).

Als Fotografin habe ich dann überlegt, wie ich das eigentlich bei meinen Shootings und Retuschierungen halte und was ich aktiv tun kann, um diesem unrealistischen Rollenbild entgegenzuwirken. Ich versuche im Vorhinein die Eltern meist darauf hinzuweisen, dass sie ihren Kindern nicht sagen brauchen, dass sie bei mir in die Kamera lächeln sollen. Durch ein aufgesetztes Lächeln imitieren wir ja die vorgelebten Scheinwelten der Werbemaschinerie. Besonders Mädchen wird eingetrichtert, sie sollen lieb und freundlich sein und immer brav lächeln. Dieser Druck dieses konkrete Rollenbild zu erfüllen, kann denk ich irgendwann problematisch werden. Aber nicht nur Kinder – auch Erwachsene sollten sich (zumindest vor meiner Kamera) nicht dazu gezwungen fühlen, immer nur zu grinsen (außer sie fühlen sich so).

Grundsätzlich ist es mein Ziel, möglichst natürliche Bilder zu machen. Einen einzelnen Pickel wegretuschieren oder geschlossene Augen mit ein bisschen Photoshop-Magie wieder aufzumachen ist für mich absolut in Ordnung. Aber ansonsten will ich die Personen, die ich fotografiere, einfach nur in ein gutes Licht rücken, in dem sie sich wohlfühlen können und sich so zeigen, wie sie sind.

Ich merke und ertappe mich selbst oft dabei unsicher zu werden, wenn eine Kamera auf mich gerichtet ist. Ich fühle mich gezwungen ein Lächeln aufzusetzen und ziehe womöglich noch den Bauch ein. Bei meinen „Fotomodels“ höre ich auch immer wieder mal nach getätigtem Klick „Kannst du bitte dieses und jenes noch wegretuschieren?“. Ich sehe es aber viel mehr als meine Aufgabe, Kinder/Familien/Paare in möglichst natürlichen Situationen zu erwischen. Dabei soll die Situation realistisch sein, durchaus und sehr gerne außergewöhnlich, aber ich achte darauf, dass es für mein Empfinden nicht unnatürlich bzw. gekünstelt wirkt. Dazu ist viel Übung nötig. Wenn ich eine fröhliche Stimmung einfangen will, dann muss auch etwas fröhliches passieren (zumindest in Gedanken) und ich gebe entsprechend nur ein paar kleine Anweisungen. Ich persönlich würde sogar so weit gehen, dass ich auch Trauer oder die ganze Bandbreite von Gefühlen auf Bildern in Wirklichkeit gerne einfangen möchte. So manches Brautpaar lächelt beim Erstgespräch etwas verunsichert wenn ich sage: „Keine Scheu vor möglichen Tränen am Hochzeitstag!“. Für mich sind genau das unbeschreiblich schöne Momente, bei denen der Spruch „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“ definitiv zutrifft.

Ich denke meine bisher schönsten Bilder sind dann entstanden, wenn die Personen mich und die Kamera einfach vergessen haben und sie selbst sind. Daher find ich es persönlich extrem schwierig „auf Knopfdruck“ für die Kamera bereit zu sein. Wenn ich eine Stunde fotografiere, verwende ich die erste Viertelstunde am liebsten einmal nur dafür, die Umgebung (mit fotografischem Blick) wahrzunehmen und mein Gegenüber zu beobachten bzw. kennenzulernen. Die besten Fotos mache ich meist erst am Ende des Shootings. Daher ist es für mich oft nicht so einfach, nach Ende einer vereinbarten Zeit (wenn es nur ein kurzes Shooting ist) die Kamera wegzupacken. Da blühe ich so richtig auf und habe Freude. Ich sag auch gern, dass ich dann gut „warmgeschossen“ bin. Gut Ding braucht eben Weile.

Ich freue mich über Rückmeldungen zu diesem Thema und auf viele schöne Momente bei Fotoshootings in Zukunft!

Alles Liebe

Martina